27 Jul 2022

IDC Studie zu Enterprise Networking: Weniger als ein Viertel der deutschen Organisationen zukunftsfähig vernetzt

Der Fluss an schlechten Nachrichten für Wirtschaft und Gesellschaft reißt aktuell nicht ab und lässt viele Unternehmen mit einem wachsenden Berg an Herausforderungen zurück. Viele Probleme existieren, weil vorhandene technologische Möglichkeiten zur Interaktion und Collaboration innerhalb des eigenen Unternehmens, aber auch extern mit Kunden und Partnern bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Vernetzung ist schon jetzt ein kritisches Element, um die eigene Resilienz und Business Continuity zu fördern, perspektivisch gesehen ist sie die Basis für Geschäftsmodelle, die auf Konnektivität basieren. Die Realisierung dieser Vorteile verläuft aber noch schleppend:

  • 3 von 10 der Befragten schätzen die IT-Vernetzung ihres Unternehmens als mangelhaft ein – Legacy-lastig, kaum Integration, viele Silos
  • Zwei Drittel der Befragten sehen große oder sogar sehr große Herausforderung in der Realisierung von Business-Projekten, die von Konnektivität abhängen
  • Network Security wird offenbar inzwischen ernst genommen: Drei Viertel der Unternehmen haben moderne Ansätze wie ZTNA und SASE bereits umgesetzt oder es innerhalb der kommenden 12 Monate vor.

Um zu diesen Erkenntnissen zu kommen, hat IDC im Juni 2022 in Deutschland branchenübergreifend 150 Organisationen mit mehr als 250 Beschäftigten zum Thema Enterprise Networking befragt. Der Gesamteindruck der Studienergebnisse ist durchwachsen, denn die Mehrheit der Befragten offenbart große Schwächen in der Vernetzung der eigenen Systeme, aber auch in der Vernetzung mit Partnern und Kunden. Obwohl die letzte Studie von IDC zu diesem Thema wesentlich größere Fortschritte erwarten ließ, konnten viele der befragten Unternehmen ihren selbst gesteckten Zielen nicht gerecht werden. Das ist natürlich u. a. der wirtschaftlichen Lage geschuldet, aber auch unternehmensinterne Schwächen, vor allem Komplexität und mangelnde Technologieadaption gehören zu den Ursachen.

Kritische Selbsteinschätzung zur eigenen Vernetzung bei 30 Prozent der Befragten

„Der aktuelle Zustand der Vernetzung in deutschen Unternehmen ist aus Sicht von IDC äußerst bedenklich“, sagt Projektleiter Marco Becker, Senior Consultant bei IDC. Vor allem für die allgemeine Vernetzung über die gesamte IT-Landschaft hinweg geben 30 Prozent der Befragten mit „minimaler Vernetzung“ die geringste Ausprägung auf einer fünfstufigen Reifeskala an. Diese definiert sich durch einen nahezu ausschließlichen Legacy-Betrieb, minimale Integration und maximale Isolation von Geschäftsprozessen und Daten. Weitere 21 Prozent befinden sich auf der zweitniedrigsten Stufe „begrenzter Vernetzung“, bei der immerhin neue Technologien eingestreut werden und Integrationen zwischen verwandten Systemen existieren. „In Anbetracht der Wichtigkeit von Konnektivität und den zukünftigen Anforderungen ist das bei weitem zu wenig“, warnt Becker. Lediglich 23 Prozent befinden sich auf den hohen Niveaus „proaktiver“ und „umfassender“ Vernetzung, die sich durch starke Cloud-Adaption und zentrale, einheitliche Datenmodelle auszeichnen, die im Optimalfall auch bereit für den Einsatz von KI/ML für Geschäftsentscheidungen in Echtzeit sind. Folglich sagen auch insgesamt 67 Prozent aus, dass für sie die Realisierung von Business-Projekten, die von Konnektivität abhängen, eine große oder sogar sehr große Herausforderung ist. Allerdings sind sich viele Unternehmen dieser Defizite offensichtlich bewusst. So sehen sich in 24 Monaten stolze 42 Prozent auf den beiden besten Reifestufen.

Auch insbesondere im Hinblick auf Kunden und die Supply Chains sind nach Meinung von IDC Maßnahmen dringend geboten. Denn ist die Vernetzung von Kundenbeziehungsprozessen schlecht, leiden die Umsätze und fehlt die Vernetzung mit Partnern und Supply Chains, leidet die Business Continuity. In Supply Chains wird die Fähigkeit zur Vernetzung für Datenaustausch und Collaboration zudem immer häufiger zur Voraussetzung für eine erfolgreiche und effiziente Zusammenarbeit.

Top-Herausforderungen 2022/2023: Technologieadaption und Erfüllung der Business-Erwartungen

Die Komplexität heutiger Netzwerkumgebungen offenbart sich in den aktuellen Herausforderungen für 2022 und 2023. Diese sind sehr technologisch dominiert. Unter den Top-3 befinden sich Cloud-/Multi-Cloud-Migration und -Konnektivität (28 %), die Einbindung neuer Zugangs- und Netzwerktechnologien (27 %) sowie die Konnektivität zwischen Niederlassungen (22 %). Auch die Umsetzung stärker visualisierter, skalierbarer und anpassungsfähiger Netzwerke (19 %) sowie dementsprechend auch flexiblerer Nutzungsmodelle (21 %), die mit der Cloud-Adaption schritthalten, sind häufig genannte Themen.

Neben den reinen Netzwerkherausforderungen wurden auch generelle Konnektivitäts-Herausforderungen erfasst. Die Netzwerke spielen bei diesen eine wichtige, aber nicht exklusive Rolle, denn Konnektivität ist das Ergebnis eines Zusammenspiels verschiedener IT-Bereiche: Dominant ist hier die Anpassung der IT- und Netzwerkfähigkeiten an Business-Erwartungen (38 %), gefolgt von der Einbindung neuer Technologien wie IoT und Cloud (33 %) sowie dem generellen Datenwachstum (32 %).

Zwei von drei Unternehmen haben Probleme mit effizienter, schneller Reaktion auf Netzwerk-Störungen

Der Blick in das Tagesgeschäft, also die Network Operations, ist bedenklich. Aspekte wie die Akquise von Netzwerkfachpersonal, Schulungen, mangelnde Zeit für strategische Aufgaben wegen operativer Aufwände oder fehlende technologische Unterstützung sind jeweils für rund ein Viertel der Befragten kritische Problemfelder. Gleichzeitig sagen ganze 64 Prozent aus, dass eine schnelle und effiziente Reaktion auf Störungen für sie eine große oder sehr große Herausforderung ist. Das gleiche gilt für die schnelle Anpassung der Netzwerkumgebung an neue Business-Projekte oder -Applikationen. Beim Thema NetOps gibt es also deutliches Verbesserungspotenzial. Das zeigt sich auch bei der Integration der Networking-Teams mit anderen Teams wie etwa Security, Anwendungsentwicklung oder LoB-Netzwerke (z. B. OT-Netze): Nur jeweils rund die Hälfte der Befragten gibt einen hohen Integrationsgrad an. Über die kommenden zwei Jahre planen aber immerhin rund 10 Prozent hier eine Verbesserung.

SDN ist aus Sicht vieler Organisationen in fünf Jahren De-Facto-Standard

In ihren Bestrebungen, die Konnektivität zu verbessern, sind aus Sicht der Befragten die wichtigsten IT-Technologie-Investitionsbereiche aktuell 5G (32 %), Cloud/Multi Cloud (29 %) und Big Data/Analytics/AI/ML (29 %), dicht gefolgt von SDN-Technologien und Network Security. Insbesondere das Thema 5G ist im Vergleich zu den letzten Jahren durch seine Marktreife deutlich gestiegen und hat Big Data/Analytics/AI/ML von der Spitze verdrängt. Wichtig ist aber auch das Thema SDN: Bereits 65 Prozent halten SDN für eine kritische Netzwerk-Technologie und genauso viele gehen davon aus, dass SDN bereits in 5 Jahren der De-facto-Standard für Netzwerkumgebungen sein wird.

Konkrete Netzwerk-Investitionen finden vor allem bei cloudbasierten Netzwerklösungen, beispielsweise Interconnect und Network-as-a-Service (NaaS) statt. Für NaaS liegen die Vorteile für jeweils ein Viertel der Befragten insbesondere bei der höheren Ausfallsicherheit und besseren Reaktion auf Störungen sowie der Förderung geschäftlicher Innovationen durch mehr Netzwerkflexibilität. Bei Interconnect-Lösungen ist es häufig die Ermöglichung einer End-to-End-Sicherheit (25 %) und die bessere Verbindungsperformance (22 %). Auch skalierbare und flexible Kostenmodelle sprechen für die Cloud – bereits jetzt entfallen fast die Hälfte der Netzwerkkosten auf OPEX, Tendenz über die nächsten Jahre weiter steigend.

5G ist dank Kommerzialisierung sowie mobilen und dezentralen Use-Cases aktuell häufigster Investitionsbereich

Der detaillierte Blick in die Wireless- und Edge-Pläne der Unternehmen zeigt, dass „Wireless First“ stärker priorisiert wird als „Edge First“. Für einige ist es aktuell schlichtweg wichtiger, überhaupt eine durchgehend gute Vernetzung umzusetzen und Wireless ist oft der einzige oder bessere Weg gegenüber kabelgebundenen Optionen und ermöglicht mobilitätsabhängige Anwendungsszenarien. Für die große Mehrheit ist auch die Kombination aus Wireless-Vernetzung und Edge-Verarbeitung für gemeinsame Synergien relevant. Auch IDC sieht hierin großes Potenzial, insbesondere für innovative connectivity-driven Geschäftsmodelle.

Für die Wireless-Vernetzung wollen aktuell 25 Prozent primär ein hybrides Wireless-Netz aus 5G und WiFi-6 aufbauen, 41 Prozent fokussieren sich auf 5G (öffentlich und privat) und 14 Prozent auf WiFi-6. Insgesamt also eine klare Tendenz zu 5G. Folglich sollen nach momentanem Stand viele Use Cases wie IoT, Smart Buildings, Edge Computing oder Mobilitätsdienste mehrheitlich mit 5G oder hybriden Architekturen umgesetzt werden.

Die Mehrheit plant moderne Security-Ansätze wie ZTNA und SASE oder hat sie bereits im produktiven Betrieb

Die sich verändernden IT-Umgebungen und insbesondere das Verschwinden eines klaren Perimeters erfordern wesentliche Maßnahmen bei der Network Security. Aus der Perspektive von IDC ist es äußerst erfreulich, dass moderne Security-Ansätze wie ZTNA, SASE und SDP schon von 11 Prozent der Organisationen umgesetzt wurden, 38 Prozent sie aktuell umsetzen und 26 Prozent sie innerhalb der kommenden 12 Monate umsetzen wollen. Das entspricht in Summe einer großen Mehrheit von 75 Prozent. Beim SASE-Konzept werden viele Fähigkeiten als relevant erachtet, insbesondere die Netzwerktransparenz sowie die Sicherheitsfeatures zur Absicherung von User Traffic zu Clouds. Operative Vorteile erhofft man sich insbesondere beim Network- und Security-Lifecycle-Management und bei der Erreichung eines ganzheitlichen Zero-Trust-Konzepts.

Für 68 Prozent leistet das Netzwerk einen signifikanten Beitrag zum Nachhaltigkeitsprofil

Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch bei Netzwerken eine zunehmend wichtige Rolle, denn durch das Datenwachstum verbrauchen diese immer mehr Energie und auch Netzwerkequipment ist ressourcenintensiv in der Herstellung. 68 Prozent der Organisationen stimmen zu, dass ihre Netzwerke einen signifikanten Beitrag zum Nachhaltigkeitsprofil des Unternehmens leisten und 69 Prozent arbeiten aktiv daran, ihre Netzwerke im Sinne der Nachhaltigkeit zu verbessern. Nicht außer Acht gelassen werden darf hierbei der wirtschaftliche Aspekt: Erhöhte Energiekosten und aktuell teures oder nicht verfügbares Netzwerk-Equipment zwingen Unternehmen zum Umdenken. Unabhängig von der Kernmotivation ist mehr Nachhaltigkeit aber immer ein erwünschtes Win-Win-Szenario, das aus Sicht von IDC sämtliche Organisationen für ihre kompletten IT-Landschaften evaluieren sollten.

Fazit

Das Gesamtfazit fällt aus Sicht von IDC gemischt aus. Grundsätzlich sind sich viele Unternehmen des Werts guter Konnektivität und der Bedeutung des Netzwerks bewusst. Die Schattenseite ist allerdings, dass eben diese Konnektivität und Vernetzung in den meisten Fällen noch deutlich zu wünschen übrig lässt. Hoffnung gibt es aber, denn viele Unternehmen planen wesentliche Verbesserungen aus verschiedenen Gründen: nicht nur die Unterstützung des regulären Business sowie das alltägliche Netzwerkmanagement werden immer schwieriger zu bewältigen, auch die Umsetzung auf Konnektivität aufbauender Business-Modelle wird wichtiger.

Bei der Umsetzung moderner Netzwerke und Konnektivität brauchen die meisten Unternehmen offensichtlich Hilfe – nicht nur, weil das Personal mit operativen Aufgaben ausgelastet ist, sondern weil in der Befragung auch deutlich wird, dass die Umsetzung hinsichtlich Komplexität und Technologie-Knowhow häufig herausfordernd ist. Das ist einerseits eine Chance für Netzwerk-Anbieter, gleichzeitig aber auch eine Verantwortung, nicht nur Technologien und Lösungen zu verkaufen, sondern unterstützend zur Seite zu stehen und Endanwendern dabei zu helfen, ihre strapazierten Budgets möglichst effizient und zielführend einzusetzen. Wie so oft bei Technologieinvestitionen droht sonst vielen Organisationen, dass sie sich im Kreis drehen: Schmale Budgets und die hohe Auslastung mit operativen Aufgaben sind häufige Begründungen nicht agieren zu können. Gleichzeitig verhindern mangelnde finanzielle, zeitliche und personelle Investitionen in die eigene Substanz die nachhaltige Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Lage.

Vernetzung und Konnektivität sind kritisch, denn sie sind das zentrale Rückgrat, auf dem die meisten anderen Technologien aufbauen und Informationen austauschen. Aus Sicht von IDC ist es deswegen dringend notwendig aus dem Kreis auszubrechen: Die Investitionen in Netzwerke sind sichere und absolut notwendige Investitionen in die Unternehmenszukunft.

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